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Geschlechterbezogene digitale Ungleichheiten

Das Projekt untersucht den Einfluss des digitalen Wandels auf geschlechterbezogene Ungleichheiten in BRD und DDR seit den 1970er Jahren. Es fragt danach, ob Digitalisierungsprozesse Ungleichheiten in Geschlechterverhältnissen perpetuierten, abschwächten oder neu produzierten. Im Sinne einer Kulturgeschichte der Digitalisierung soll gezeigt werden, wie technische, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen in beiden deutschen Staaten von den 1970ern bis nach der Wiedervereinigung miteinander verwoben waren und dazu beitrugen, eine Gesellschaftsordnung entlang der Kategorie „Geschlecht“ zu prägen, die bis heute wirkt.

 

 

Ein Mann im Anzug und mit Fliege steht zwischen Menschen in weißen Schutzanzügen und lässt sich erfreut etwas zeigen
Forschungsminister Riesenhuber mit Arbeiterinnen aus der Mikrochip-Herstellung (Quelle: Schöll/Küller: Micro Sisters. Digitalisierung des Alltags - Frauen und Computer. Berlin 1988)

Mit der Entwicklung von Mikrochips in den 1970er Jahren war der Grundstein dafür gelegt, dass Computer und andere digitale Technologien nach den Arbeitswelten auch private Lebenswelten tiefgreifend prägen sollten. Dabei begleiteten geschlechterbezogene Zuschreibungen die Computernutzung von Beginn an. Die Konstruiertheit dieser Zuschreibungen zeigt sich an ihrem Wandel: Galt Programmieren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch als weiblich konnotierte Tätigkeit, bildete sich in der zweiten Hälfte das Klischee des männlichen Computernerds heraus, das bis heute verbreitet ist. Auf welche Weise und in welchem Kontext geschlechtsbezogene Zuschreibungen bei der Nutzung digitaler Technologien und – davon ausgehend – auch soziale Ungleichheiten in der digitalen Welt entstanden und sich festigen konnten, möchte das Projekt untersuchen.

Zwischen Tastatur und Bilschirm stehen eine Nuckelflasche mit Milch sowie Strickzeug mit blauer Wolle. Auf dem Bildschirm erscheint der Text "Achtung Sendepause! Jetzt bitte Baby wickeln!"
Quelle: Psychologie Heute, Mai 1984

Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von der digitalgeschichtlichen „Epochenschwelle“ der 1970er Jahre über die 1980er als Dekade einer neuen Heimcomputerbegeisterung und der Herausbildung verschiedener Computer-(Sub)kulturen bis in die 1990er Jahre. In den 1990ern hatte sich der Computer endgültig, auch durch den Siegeszug des Internets, von der Rechenmaschine zum Kommunikationsmedium gewandelt und war als solches in der (wiedervereinigten) bundesdeutschen Gesellschaft weithin verankert. Durch die vergleichende deutsch-deutsche Perspektive soll herausgestellt werden, inwiefern die Geschlechtergeschichte der Digitalisierung systemgebunden war und wo gemeinsame, miteinander verflochtene Entwicklungslinien zwischen den geteilten Gesellschaften verliefen. Dabei werden politische, rechtliche, ökonomische, soziale und kulturelle Faktoren in den Blick genommen, deren Zusammenspiel die digitale Gesellschaft und deren Ungleichheitsregime formten.