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Das iBook und der Fall einer maskulinen Design-Bastion

1999 stellte Apple das iBook vor, das auf den äußerst beliebten iMac folgte. Der Laptop mit dem Beinamen Clamshell war der erste WLAN-fähige tragbare Computer und stach durch sein auffälliges Design hervor. Ein Exemplar schaffte es ans ZZF Potsdam, etwa 25 Jahre später in eine offene Kiste mit Elektroschrott und weil es noch immer ein Blickfang ist zog es von dort aus meine Aufmerksamkeit an.

das Apple iBook von 1999

Was das iBook zum Thema dieses Blog-Beitrags macht ist das Gendering, das um das Gerät betrieben wurde. Damit meine ich die vergeschlechtlichten Zuschreibungen rund um das Design, das als Provokation für eine stereotypes Ideal des Laptop-Nutzers und seine ganz spezifische Ausprägung von Männlichkeit erklärt wurde. Ausgehend von den wenig schmeichelhaft gemeinten Beinamen „Barbiehandtasche“ oder „Puderdose“ und der lebhaften öffentlichen Diskussion um das Erscheinungsbild des iBooks lässt sich anhand des iBook ein Kapitel der Geschichte erzählen, wie und gegen welche Widerstände Frauen* sich Computern aneigneten.

 

Mit dem iBook brachte Apple ein Gerät heraus, das im Gegensatz zu seinem Vorgänger iMac tragbar und im Vergleich zu anderen PowerBooks auch der Konkurrenz relativ günstig zu haben war – wobei der Preis von knapp 4000 DM alles andere als billig war. Zielgruppe des iBooks waren private Anwender:innen, vor allem Schüler:innen und Studierende. Der Laptop war in mehreren Farben erhältlich, hatte einen eingebauten Tragegriff und besaß kein Disketten-, dafür ein CD-Rom-Laufwerk. Netzteil und Ladekabel kamen in einer Jojo-artigen Spule daher.

 

 

Runde Sache: das Netzteil des iBook

Das farbenfrohe Design mit seinen abgerundeten Kanten, das auf Designer Jonathan Ive zurückging, der bereits an der Gestaltung des iMac beteiligt war, zog schon bei der Ankündigung Kritik auf sich. Wortführer der Kritik war der Kolumnist und Tech-Journalist John C. Dvorak mit seinem Kommentar „The iBook Desaster“ aus dem Juli 1999. Diese Quelle stellt äußerst eindrücklich den Zusammenhang von Computer und Geschlechterkonstruktionen heraus. Das Desaster lag für Dvorak, der die versprochenen technischen Details des iBook und seinen relativ günstigen Preis durchaus würdigte, in einer Provokation von Männlichkeit durch das Aussehen des Geräts. Die Heftigkeit seiner polemischen Kritik am Design des iBook lässt sich als Spiegel für die tiefe Verankerung genderspezifischer Zuschreibungen zur Computernutzung betrachten.

 

Aber was genau war Dvoraks Problem, was störte ihn an Make-up-Assoziationen beim Anblick von Fotos des iBooks? Was provozierte ihn gar zur Prognose: „No male in his right mind will be seen in public with this notebook.” Seine Kritik bezog sich im Wesentlichen auf drei Aspekte: erstens und in der Hauptsache hielt er die Gestaltung des iBook für "girly" und das beduetete für ihn: peinlich. Girliness war für Dvorak ganz und gar nicht vereinbar mit den Menschen, für die Laptops gemacht wurden, nämlich Männer auf Businesstrips. Zweitens konstruierte er einen Gegensatz zwischen den in seinen Augen würdigen Nutzer:innen und einer Gruppe, die für ihn zum iBook passte, aber eine defizitäre, nicht auf Computerarbeit bezogene Männlichkeit zur Schau stellte: „The only guys who might buy it are the kind who wear those ludicrous baggy pants with the built-in rope that's used for a belt.” Dabei stand die Gruppe der lässigen Baggy Pants Boys in Dvoraks imaginierter Hierarchie des würdigen Computer-Nutzers [sic!] noch unter den Frauen; denn für „richtige“ Frauen sei der Computer auch nicht geeignet, da sein Ideal von Weiblichkeit ebenfalls unvereinbar mit Girliness war. Der dritte Strang von Dvoraks Kritik bezog sich auf die Zielgruppenansprache im Apple-Werbespot. Apple selbst bewarb das Gerät in einem vierminütigen Video mit einer Gruppe Menschen, die hauptsächlich jung (im Schulalter) und hinsichtlich race und gender relativ divers war. Herausgehoben wurden darin explizit die „simple, happy shapes“ des iBooks und seine Anwendung als Lerncomputer. Von dieser Gruppe Nutzer:innen und ihrem Laientum fühlte sich Dvorak offensichtlich persönlich provoziert und wollte sich maximal absetzen.

Dvoraks Kolumne trat eine hitzige Debatte los. Kritik entbrannte zum einen in den überaus zahlreichen Kommentaren unter der Kolumne, die leider nicht im Web Archive überliefert sind. Aber auch andere Autor:innen kritisierten die Abwertung von Frauen sowie den stilisierten Gegensatz von Weiblichkeit und Laptop durch den Umweg der Designkritik. “There's the assumption that girls don't really use computers, and that therefore all computers should be designed to appeal to men first and foremost.” schrieb Janelle Brown, Autorin im Internet Magazin Salon, in einer Replik auf Dvoraks Kolumne. Und weiter: “Then there's the notion that 'girl' equals makeup - and Barbie. And finally, we're reminded that no man would want to be associated with anything 'girly' - just to carry around an object that some might find effeminate is an 'embarrassment.'” Die Tampa Bay Times betitelte die Auseinandersetzung gar mit “Battle of the Sexes“ und zitierte Designer/Art Director Lowell Goss mit den Worten: "Laptops are the last bastion of old computer design […] It's men designing computers for men with all . . . hard edges and dark colors." Für Goss markierte das iBook den Wandel eines „technology lifestyle“, der einher ging mit einer diverseren Nutzer:innenschaft. Dieser Wandel ermöglichte buntere, auch stylishere Designs. So gesehen erweiterten sich mit dem iBook die Vorstellungen darüber, wie Computer aussehen und vor allem mit wem sie assoziiert werden konnten.

 

Letzten Endes nahm Dvorak nur eine kleine Gruppe Laptop-User überhaupt für voll. Diese verkörperten eine sehr enge Definition von „professioneller“ und „erwachsener“ Männlichkeit, mit der er sich selbst identifizierte. Man kann seinen Wut-Artikel als Teil eines männlichen Abwehrkampfes lesen gegen alle Anwender:innen, die der skizzierten Vorstellung eines Users nicht entsprachen. Mit Blick auf die flächendeckende Ausbreitung von Computern durch alle Gesellschaftsschichten im 21. Jahrhundert, insbesondere den Erfolg von Apple und seinen Designs, muss man zum Ergebnis kommen, dass Dvorak diesen Kampf verlor. Die Diskussion um das Design des iBook bleibt ein eindrückliches Beispiel dafür, welche geschlechterpolitischen Zuschreibungen sich rund um die Computernutzung etabliert hatten und wie Frauen*, Queers und Laien ihren Platz am Laptop erst erstreiten mussten.